Leitfaden

Herausforderung: Vielfalt - „Jeder kann was, jede weiß was, wir sind viele und alle ganz verschieden.“

Reichtum und Problematik der Heterogenität

Nach der Konfistunde stehen die Konfis noch in Grüppchen vor dem Gemeindehaus. Katrin macht im Kindergottesdienstteam mit und fragt Julia, ob sie nicht Lust hätte, auch mitzumachen. „Nö“, sagt Julia, „donnerstags habe ich keine Zeit, da muss ich zur Englisch-Nachhilfe.“ Mareike hat keine Lust auf noch mehr „Kirche“. Justin, der im sozialen Brennpunkt wohnt, guckt interessiert, aber den will Katrin nicht fragen. Sie mag ihn nicht. Da meldet sich Alex aus seinem Rollstuhl, wie immer nur schwer zu verstehen: „Wenn du willst, komm ich mal mit.“ Und Katrin fragt sich: „Kann der das überhaupt …?“

Nirgendwo sonst begegnen sich Jugendliche in diesem Alter aus so vielen unterschiedlichen Zusammenhängen wie in der Konfi-Gruppe. Alle Schulformen sind vertreten, alle sozialen Schichten, Jungen und Mädchen, Kindliche und Frühreife, solche mit und ohne Handicap. Sie kommen aus kirchennahen und kirchenfernen Elternhäusern, aus alt eingesessenen und neu zugezogenen Familien, manche auch aus anderen Ländern, und sie bringen ganz unterschiedliches Wissen und unterschiedliche Erfahrungen mit, was Religion insgesamt und den christlichen Glauben im Besonderen angeht. Auch ihre persönlichen Lebensgeschichten sind bunt und vielfältig. Sie spiegeln damit die Vielfalt der Gesellschaft und sind in der Kirchengemeinde oft die heterogenste Gruppe.

Die Vielfalt ist eine große Chance: Alle Konfis bringen ihre Talente mit und können voneinander lernen. Da gibt es Jugendliche mit sportlichen, musikalischen, darstellerischen, künstlerischen, tänzerischen oder handwerklichen Begabungen. Viele haben jede Menge Phantasie. Sie alle können auf ihre Weise etwas zum Gelingen der Konfi-Zeit beitragen. Gelingt es, herauszufinden, welche Gaben die Konfis mitbringen und diese in die gemeinsame Zeit einzuspielen, wird die Vielfalt zur Bereicherung.

Eine große Herausforderung an die Gestaltung der Konfi-Zeit besteht deshalb darin, die unter­schiedlichen Fähigkeiten und Charismen der Jugendlichen sichtbar zu machen und fruchtbar werden zu lassen. Dabei ist das Interesse gegen­über den einzelnen Jugendlichen der Motor, der es ermöglicht, die Begabungen und Talente der Einzelnen in der Gruppe zu erkennen. Das braucht Behutsamkeit und Ermutigung durch das Team, damit im Verlauf der Konfi-Zeit alle etwas einbringen können, was ihnen am Herzen liegt.

Nicht nur Begabungen sind unterschiedlich, auch die Zugänge der einzelnen Jugendlichen zu den Themen der Konfirmandenarbeit. Wer sich sprachlich-logisch schwer tut, kann mithilfe von Bildern, Grafiken und Modellen oder durch Bewegung besser verstehen. Handlungs- und erfahrungsorientierte Zugänge zu Themen und Inhalten unterstützen und fördern dies. Sie ermöglichen es, Jugendliche auf unterschiedlichen Ebenen anzusprechen. Nicht nur Verstand und Sprachfähigkeit sind gefordert, sondern auch Phantasie, Einfühlungsvermögen und Kreativität beim Bauen, Malen, Basteln, Fotografieren, Theater­spielen, Rappen, und vieles andere mehr, das möglicherweise im Vorfeld noch gar nicht im Blick ist, sondern sich erst im Kontakt mit den Jugendlichen ergibt. Die Wahrscheinlichkeit, solche Dinge zu entdecken, wächst mit der Zahl der Teamerinnen und Teamer, die regelmäßig in der Konfirmandenarbeit mitwirken. Auch ihre Wahrnehmung der Konfirman­dinnen und Konfirmanden und ihr eigenes Gabenprofil sind vielfältig.

Die Unterschiedlichkeit von Mädchen und Jungen lässt fragen, welche Themen der Konfi-Zeit eher Mädchen-, welche Jungen-affin sind. Es gilt zu prüfen, ob derzeit oft nicht mehr Themen für Mädchen interessant aufbereitet sind als für Jungen – und ob dies Jungen zwar nicht ausgrenzt, aber in ihrer Eigenart nicht genügend anspricht.

Vom Ergebnis her gedacht werden in der Konfi-Zeit nicht alle Jugendlichen dasselbe lernen. Sie entwickeln ihren Glauben, ihr Verständnis von „Gott und der Welt“ auf der Grundlage ihrer persönlichen Voraussetzungen und Interessen weiter. Was sie dabei für sich herausgefunden haben, teilen sie mit anderen, z.B. bei der Mitgestaltung von Gottesdiensten für die Gemeinde.

Soll die Heterogenität der Gruppe positiv genutzt werden, ist es hilfreich, darauf zu achten, dass nicht alle zur gleichen Zeit dasselbe machen müssen und sich gedanklich und schriftlich mit der gleichen Aufgabe auseinandersetzen müssen. Wichtig ist, dass die Konfis die Möglichkeit haben, ihre eigene Art der Auseinandersetzung mit dem Thema und ihr eigenes Lerntempo zu bestimmen, so dass am Ende verschiedene Personen an gleichen Themen auf unterschiedliche Weise arbeiten.

Um passende Lernangebote zu machen, ist es hilfreich zu wissen, wie es um die Stärken und Grenzen, die Motivation und Religiosität sowie die Kenntnisse und Fragen der Konfis bestellt ist. Die beste Methode, dies kennenzulernen, ist grundsätzlich Beziehungen zu entwickeln und persönliche Kontakte aufzubauen. Wenn sich Kontakte entwickelt haben, kann in der Gruppe auch ein Fragebogen eingesetzt werden, der mit den Konfis besprochen werden kann. Fragen könnten sein: meine Hobbys, meine Lieblingsmusik, was ich gerne lese, was ich gerne in der Schule mache, was ich nicht gerne mache, was mir heilig ist, was mir an der Kirche gefällt, was mir nicht gefällt, warum ich mich konfirmieren lasse, welche Fragen ich zum Thema Religion habe.

Die selbstverständliche Einbeziehung von Konfis mit Handicap in einer Konfirmandengruppe kann die Auseinandersetzung mit den eigenen Fähigkeiten und die Kooperationsbereitschaft erheblich fördern. Die Teilnahme von Jugendlichen mit Handicap, insbesondere mit geistiger Behinderung, verstärkt die Einsicht, dass alles Lernen neben kognitiven in hohem Maß auf sinnlichen Wahrnehmungsprozessen beruht (Greifen, Riechen, Sehen, Schmecken, Hören, Fühlen und Bewegen), die bei jedem Lernen mitlaufen und als grundlegende Formen des Lernens betrachtet werden müssen.

Wenn Konfis deutliche körperliche oder geistige Behinderungen mitbringen, sollte die Frage einer regelmäßigen Assistenz und deren Finan­zierung geklärt werden. Die Kooperation mit der Behindertenseelsorge ist dabei auf jeden Fall zu empfehlen. Anfragen können an das „Religionspädagogische Institut der EKKW und der EKHN“ gerichtet werden. Auch Kommunen und Landkreise fördern die Inklusion in der Konfirmandenarbeit der Kirche.